Für die Hinterbliebenen
begann das Jahr 1848 in Frankfurt mit der Verlesung des Testamentes von Carl
Rivalier von Meysenbug [* 2. Oktober 1779 in Kassel; † 30. Dezember 1847 in Frankfurt am Main]. Dabei stellte sich heraus, dass das Vermögen des
Familienoberhauptes unerwartet gering war. Zum ersten Mal in ihrem Leben war
Malwida mit der Frage konfrontiert, wie in Zukunft ihr Leben zu finanzieren sei.
Malen war zwar immer ihre liebste Beschäftigung gewesen, jedoch konnte sie das
aufgrund ihrer Augenschwäche nicht in großem Umfange betreiben. Blieb ihr das
Schreiben. Das konnte sie, hatte auch schon einige Novellen und Essays an
Zeitungen und Verlage geschickt, jedoch nie Honorar dafür bekommen. Sie wusste
gar nicht, was sie tun musste, um mit dem Schreiben Geld zu verdienen. Also war
sie auf Unterstützung von Mutter und Brüdern angewiesen. Ernestine von
Meysenbug war selbst noch nicht klar, wie die materielle Zukunft ohne ihren
Gatten aussehen würde
Ehe sich dieses Problem
klären ließ, gab es auf der politischen Bühne einen Paukenschlag nach dem
anderen, beginnend mit dem Aufstand in Palermo gegen den bourbonischen König, gefolgt
von den Sturmglocken in Paris, Metternichs Flucht aus Wien und dem
Barrikadenkampf in Berlin am 18. März 1848. Es wurde ein wahrer Völkerfrühling,
der von den Menschen in allen Ländern des Deutschen Bundes euphorisch gefeiert
wurde. Auf Straßen und Plätzen redete man von Freiheit und den Rechten des
Volkes.
Malwida konnte sich über
die positiven Veränderungen jedoch nur zusammen mit Theodor freuen. Von ihm
bekam sie aus Leipzig einen begeisterten Brief. In der Familie dagegen konnte
sie mit niemandem die Freude teilen, mit niemandem darüber reden. Mutter und
Geschwister waren entsetzt über die Entwicklungen und hofften auf ein baldiges
Ende.
Doch war es erst der
Beginn. Nach den revolutionären Aktionen kehrte schon bald Ruhe ein und die
Besonnenheit einiger tüchtiger Männer siegte. Zur Eröffnung des Vorparlamentes
in der Paulskirche am 31. März 1848 waren in Frankfurt alle Straßen und Plätze mit
Fahnen und Bändern in Schwarzrotgold geschmückt. Man hatte den Eindruck, dass
die gesamte Frankfurter Bevölkerung auf der Straße war. Zusammen mit einer
Freundin war auch Malwida dabei, als fast 600 Vertreter aus allen deutschen
Ländern vom Kaisersaal auf dem Römerplatz zur Paulskirche zogen, um die Wahlen
des ersten deutschen Parlamentes vorzubereiten. An vier aufeinanderfolgenden
Tagen traten die Delegierten zusammen. Auf den Straßen erlebte man herausragende
Volksmänner, die auf Holztribünen zu den Menschen sprachen. Besonders
beeindruckt war Malwida von Friedrich Hecker aus Baden und Robert Blum aus
Leipzig. Gern würde sie auch den Reden und Aussprachen in der Paulskirche
zuhören, aber der Zugang zur Galerie war nur Männern gestattet. An einem Tage
bekam sie unerwartet eine Gelegenheit durch die Hilfe eines Bekannten ihrer
Freundin, der mithalf, die Abläufe zu organisieren. Der verschaffte ihnen Zugang
zu einem nicht öffentlichen Bereich. Es war ein mit schwarzrotgoldenen Tüchern
verhängter Raum. Hinter diesem Vorhang versteckt, hielten sich einige Ehefrauen
der Teilnehmer auf, ohne gesehen zu werden. Malwida war zutiefst beeindruckt
von dem, was da unten in der kreisförmigen Kirchenhalle ablief. Das Land
bewegte sich und versprach dank des Bemühens tüchtiger Männer ein lebendiges
Staatswesen zu werden. Das mitzuerleben, war schon großartig und am 18. Mai
1848 sollte es erst richtig losgehen, wenn die offizielle Wahl der Deputierten
abgeschlossen war und sich die gewählten Vertreter der einzelnen Länder des
deutschen Bundes zur Eröffnung der Nationalversammlung in der Paulskirche
einfinden würden.