Die Eiszeit für die Verbindung zwischen Malwida von Meysenbug und Theodor Althaus hielt an. In der Detmolder Gesellschaft gerieten die zwei Liebenden immer weiter ins Abseits. Wenn sie in der Öffentlichkeit zusammen gesehen wurden, gab es böse Anfeindungen, selbst von Menschen, die sie für ihre Freunde gehalten hatten. Das hatte zur Folge, dass beide sich weitgehend vom gesellschaftlichen Leben zurückzogen. Malwida verbrachte die Zeit schreibend und lesend in ihrem Zimmer. Zu ihrem Lesestoff gehörte eines der ersten Drucke von Theodors Schrift „Die Zukunft des Christenthums“ sowie seine Artikel in der Bremer „Weser-Zeitung“ und in literarischen Magazinen. Ihr Freund arbeitete weiter an Veröffentlichungen zu seinen Gedanken und Idealen. In seiner Studierstube im Elternhaus bereitete er außerdem eine Sammlung von Erzählungen vor, Zeitbilder unter dem Titel „Mährchen aus der Gegenwart“, in die seine Eindrücke von der Detmolder Beschaulichkeit sowie Begegnungen und Beobachtungen auf seinen einsamen Wanderungen an Weser und Rhein einflossen.
Im Juni des Jahres
1847 war für die zwei klar, dass sie Detmold verließen, jedoch nicht zusammen.
Ihre Wege trennten sich. Theodor schaffte den Absprung nach Leipzig, wo er in
der von Autoren und Verlegern geprägten Szenerie Gleichgesinnte fand. Mit
Essays, Rezensionen, Übersetzungen und Beiträgen in Publikationen von Arnold
Ruge und Robert Blum gelang es ihm, auf eigene Beine zu kommen. Malwida fuhr
mit der Mutter und Schwester Laura in südliche Richtung nach Hessen. Mit der
Postkutsche fuhren sie bis Hamm, von dort mit der Eisenbahn nach Köln und von
dort mit dem Schiff rheinaufwärts nach Bingen und über Frankfurt nach Homburg,
wo der Vater für den Sommer eine Wohnung gemietet hatte.
In dem beliebten
Badeort im Taunus trafen sich nicht nur Heilungsuchende. Homburg hatte sich zu
einem Ort der glanzvollen Feste und Vergnügungen entwickelt. Jedoch hofften die
Eltern von Meysenbug vergeblich, die dreißigjährige Tochter in diesem Umfeld
mit einem standesgemäßen Mann zusammen und unter die Haube zu bringen. Malwida
blieb weiterhin ihrem Prinzip treu, das sie sich beim Sonnenaufgang in der
Provence gelobt hatte. Im Übrigen sprach ihr Herz eine Sprache, die Eltern und
Geschwister nicht verstanden. Treu ihrem Gelöbnis und in ihrem Schmerz über die
Trennung von Theodor mied sie die Vergnügungen in den Ballsälen und suchte die
Einsamkeit. In stillen Eckchen im Homburger Schlosspark verweilte sie viele
Stunden an einem stillen Gewässer unter alten Bäumen, im Zwiegespräch mit ihrem
Skizzenbuch und Gedichten von Friedrich Hölderlin. In den Werken des verehrten
Verfassers, der in den Diotimagedichten seinen unerfüllbaren Traum bearbeitet
hatte, fand sie eine Parallele zu ihrer unglücklichen Liebe. Wie Friedrich und
Suzette konnten auch Theodor und sie nicht zusammenkommen, zu groß war der
Abstand zwischen Ideal und Wirklichkeit. Einzige Freude in dieser traurigen
Zeit war der Briefwechsel zwischen Leipzig und Homburg.
Und es wurde noch
trauriger. Ein nicht vorherzusehendes Ereignis beendete den Sommeraufenthalt im
Taunus eher als geplant. Der Vater erkrankte ernsthaft und konnte seiner
Familie nicht in das Sommerhaus folgen. Ernestine von Meysenbug zog mit ihren
Töchtern zu ihm in die Frankfurter Wohnung. Nach aufreibenden Jahrzehnten als
Staatsmann erholte sich der Achtundsechzigjährige nicht mehr. im Dezember des
Jahres 1847 starb Carl Rivalier von Meysenbug.